10 THEMENFELDER – PRÄVENTION

Von allen hier aufgeführten Handlungsfeldern hat die Prävention wohl das größte Potenzial, die Zahl krebsbedingter Todesfälle zu senken. Daher fordert Vision Zero e.V. die Politik und sämtliche Entscheider:innen im Gesundheitssystem auf, die Investitionen in die Prävention zu vervielfachen und damit zigtausenden Menschen jährlich eine Krebsdiagnose zu ersparen. Zur Finanzierung entsprechender Maßnahmen schlagen wir die Einrichtung einer Präventionsstiftung vor, deren Vermögen aus einer speziellen Abgabe auf Tabakprodukte aufgebaut werden könnte – dem Präventionseuro.

Daniel Bahr

Modifizierbare Risikofaktoren

Ein großer Teil aller Krebserkrankungen wird durch sogenannte modifizierbare Risikofaktoren hervorgerufen; würde die Bevölkerung sie konsequent vermeiden, bliebe pro Jahr rund 165.000 Menschen eine Krebsdiagnose erspart (Abbildung 1).

Wir wissen heute, dass Rauchen, Ernährungsfehler, Bewegungsmangel, Übergewicht, Alkoholkonsum, Viren und Sonnenexposition wichtige Risikofaktoren für Krebs sind. Würden wir sie meiden, würden rund 40 % aller Krebserkrankungen gar nicht erst entstehen.“ Professor Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender und Stiftungsvorstand DKFZ, Ko-Vorsitzender Strategiekreis Nationale Dekade gegen Krebs.

(Zitat veröffentlicht 2020 Medical Tribune)

Das heißt, enormes individuelles Leid aber auch ein hoher gesamtgesellschaftlicher Schaden könnten allein durch einen gesunden Lebensstil verhindert werden. Primärprävention ist daher nicht allein Sache des Individuums, auch die öffentliche Hand und die Gesellschaft als Ganzes stehen in der Verantwortung, sie zu fördern. Deutschland hat hier erheblichen Nachholbedarf, wie sich am Beispiel der Tabakpolitik zeigt.

Abbildung 1: Anteil der Krebsfälle, die auf bestimmte Risikofaktoren zurückzuführen sind

Tabakkonsum als Risikofaktor

Tabakkonsum ist der bedeutendste einzelne Risikofaktor für Krebserkrankungen und für die Entstehung zahlreicher bösartiger Erkrankungen verantwortlich. Trotzdem verhält sich der Staat ausgesprochen zögerlich, wenn es darum geht, den Tabakkonsum einzudämmen. In der Tabacco Control Scale – einem Instrument der Association of European Cancer Leagues, das die Umsetzung international konsentierter Maßnahmen der Tabakkontrolle überwacht - nimmt Deutschland den letzten Platz unter 36 Ländern ein (Stand 2019). Die seither getroffenen Verbesserungsmaßnahmen sind immer noch halbherzig.

Finanzierung von Präventionsmaßnahmen durch Tabaksteuern

Zugleich nimmt die öffentliche Hand erhebliche Summen an Tabaksteuern ein, während die Ausgaben für Prävention nur einen Bruchteil davon erreichen.

  • Einnahmen durch Tabak- und Mehrwertsteuer der öffentlichen Hand durch Zigarettenkonsum in den Jahren 2020 und 2021: jeweils 14,7 Milliarden €
  • Ausgaben der Krankenkassen für Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten, betriebliche Gesundheitsförderung und individuelle verhaltensbezogene Prävention:
      2018 2019 2020
    Gesamt 545 Millionen € 631 Millionen € 414 Millionen €
    pro versicherter Person 7,49 € 8,64 € 5,65 €

Die Tabakkontrollpolitik bietet damit einen enorm wirksamen Hebel, um Krebserkrankungen zu verhindern. Um die Prävention insgesamt zu stärken, schlägt Vision Zero e.V. die Einrichtung einer Präventionsstiftung vor. Sie könnte über eine spezielle Abgabe finanziert werden, beispielsweise über einen „Präventionseuro“ auf Zigarettenpackungen und vergleichbare Produkte. Damit ließe sich innerhalb weniger Jahre ein Vermögen von 1 Milliarde € aufbauen – 100 Millionen € pro Vision Zero Handlungsfeld.

Daniel Bahr ist Bundesminister für Gesundheit a.D. und Vorstand der Allianz Private Krankenversicherungs-AG