10 THEMENFELDER – PSYCHOTHERAPEUTISCHE BEGLEITUNG VON KREBSPATIENTEN UND IHREN ANGEHÖRIGEN

Die Psychoonkologische Versorgung, die psychosoziale Begleitung und Psychotherapie umfasst, kann sowohl das Erleben als auch das Verhalten der Menschen positiv beeinflussen. Bei Krebspatient:innen und deren Angehörigen reduziert sie die psychische Komorbidität (Ängste, Depressionen) und verbessert die Lebensqualität, möglicherweise auch die Mortalität. In Deutschland weist die psychoonkologische Versorgung regionale Unterschiede auf. Das Angebot muss vor allem auf dem Land verbessert werden und spezifischer auf die Bedürfnisse verschiedener Personengruppen zugeschnitten werden. Darüber hinaus sollte die psychoonkologische Forschung dringend gefördert werden.

Prof. Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf

Psychotherapeutische Interventionen

Psychotherapeutische Interventionen sind auf verschiedenen Ebenen wirksam. Sie können (noch) gesunde Menschen zu gesundem Verhalten motivieren, etwa was Ernährung, Bewegung, Tabak- und Alkoholkonsum oder soziale Teilhabe anbelangt; kranke Menschen unterstützt sie bei der Krankheitsbewältigung, sie hilft ihnen, Ängste und Depressionen zu überwinden, einem sozialen Rückzug entgegenzuwirken und (neuen) Sinn im Leben zu entdecken. Dadurch hat die Psychotherapie sowohl primär- als auch tertiärpräventives Potenzial. Bei Krebspatient:innen können psychoonkologische Interventionen die psychische Komorbidität senken und die Lebensqualität verbessern. Einige Studien legen nahe, dass sie auch das Überleben verbessern.

In Deutschland hat sich die psychoonkologische Versorgung zuletzt deutlich verbessert. Wesentlichen Anteil daran haben die Zertifizierung von Zentren und ein bundesweites Netz an Krebsberatungsstellen. In nicht zertifizierten Einrichtungen und im niedergelassenen Sektor gibt es jedoch nach wie vor Defizite. Verbesserungsbedarf besteht auch beim Zugang zu psychoonkologischen Angeboten und beim Zuschnitt der Leistungen auf die spezifischen Bedürfnisse vulnerabler Personengruppen. Und schließlich hinkt die psychoonkologische Forschung in Deutschland aufgrund schwerfälliger Prozesse der in anderen Ländern hinterher.

Forderungen

Vision Zero e.V. fordert,

  • die Versorgung mit psychoonkologischen Leistungen auch in der Fläche sicherzustellen,
  • zielgruppenspezifische psychoonkologische Programme zu entwickeln und einfacher zugänglich zu machen (z.B. für Menschen höheren Alters, mit Migrationshintergrund, schlechter Gesundheitskompetenz sowie für Adoleszente und junge Erwachsene),
  • psychoonkologische Programme multimodal zu gestalten (erweitert um telemedizinische Angebote, Apps, webbasierte Dienste etc.),
  • die psychoonkologische Forschung in Deutschland zu intensivieren und Prozesse (z.B. Genehmigungsverfahren) zu vereinfachen bzw. zu beschleunigen.

Wir rufen die onkologischen und psychoonkologischen Fachgesellschaften und die Ärztekammern auf, diese Ziele gemeinsam mit uns anzugehen.

 

Professor Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf leitet die Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsmedizin Leipzig, und ist unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Krebsgesellschaft sowie Beiratsmitglied der AG Psychoonkologie (PSO) der Deutschen Krebsgesellschaft.